Montag, 27. September 2021

Sibiu















 Aus dem Schlafsack krabbeln und so einen Morgen an diesem Platz erleben: das ist eine Wucht. Da kann nicht einmal das klatschnasse Überzelt die Laune verderben. Solche Momente sind es, die mich süchtig nach dem Radeln machen

 Sibiu  ist mit Nebel zugedeckt. Da habe ich noch genügend Zeit, um in aller Ruhe zu früstücken und mich startklar zu machen.

Die brauche ich auch, denn es kommen vier Radler den Berg hoch gesaust. Einer lässt an der Schranke zum militärischen Sperrgebiet, in das die ersten trotz Verbot locker hinein gefahren sind, einen Schrei los und pfeift sie zurück. Sein Schaltauge ist gebrochen. Ich helfe. Aber nach den ersten Metern bricht die Kette, in die ich mit Mühe die Bolzen reingedrückt habe, wieder auseinander. Er muss nach Sibiu zurück und ich kann starten.


Puuuh - Betonklötze
Hier wollte ich nicht wohnen.  Ich dachte, Sibiu ist die schönste Stadt Rumäniens. Was ist das für ein Empfang?

 Nach einem Stück 4-spuriger Straße ohne Radweg komme ich an diese Markthalle. Es ist Sonntag und sie ist offen. Noch besser: im Außenbereich ist eine öffentliche Trink-wasserstelle. Das hebt meine Stimmung. Sibiu ist nicht mehr ganz so hässlich. Weiter geht's über 4-spurige Straßen und 2-spurige Kreisel.

 Ich bin tatsächlich in Sibiu und Deutsch wird hier auch gepflegt. Hermannstadt war der wichtigste der 7 Stühle Siebenbürgens.

 

 

 

 

 

Mit einem kleinen Umweg erreiche ich doch tatsächlich die historische Stadt. Die Geschäfte sind offen und laden zum Einkaufsbummel ein.
 
In der Sonne lässt es sich bei einem Kaffee gut aushalten. Der rumänische Cappuccino ist so gut wie der italienische. Deutschland ist auf diesem Gebiet das Schlusslicht.

 






Das schöne Kirchendach kommt immer wieder in's Blickfeld und so erreiche ich den Kirchplatz schnell. Noch weiß ich nicht, in welchem historischen Raum ich bin.


Auf dem Kirchplatz hat dieses alte Häuschen allen Erneuerungen getrotzt. Das ist natürlich etwas für mein Gefühl. So langsam kommt der Umschwung und ich bin begeistert von Sibiu.

Ich lasse mich auf eine öffentliche Sitzgelegenheit nieder, tanke Sonnenstrom, beobachte die vorbeiziehenden Menschen und genieße den Platz.








Es ist Sonntag 12 Uhr. Mein Magen meint, er hätte schon lange nichts Gutes mehr bekommen. Also verschiebe ich meinen Sitzplatz um 5 m auf einen Restaurantstuhl und  bestelle. KEINE Pizza, ein rumänisches Essen. Hackfleischrollen mit Pflaumen-Käse-Füllung, Rosmarinkartoffeln und Salat. Es schmeckt gut aber in einen Radlermagen passt locker die doppelte Portion.
Ich genieße noch den Nachgeschmack und das restlich Bier. Da  kommt eine Hochzeitsgesellschaft. Während das Hochzeitspaar und zwei Fotografen sich um das perfekte Foto bemühen, lüpft die Dame ihr Kleid. Ziemlich locker - vor allen Restaurantgästen. Schon in Sighetu gingen freizügig gekleidete Damen in die Kirche. Das scheint in Rumänien nicht unüblich zu sein.

 Neben dem Restaurant steht ein Stadtplan, den ich natürlich studiere. Er wirbt für einen Audioguide. Den hole ich mir mittels QR-Code vom Plan auf mein Handy. Natürlich gibt es ihn in Hermannstadt auch auf Deutsch. Damit beginnt meine Stadterkundung.


Blick über die Lügenbrücke in die Unterstadt. Sie ist nicht so gut saniert wie die Oberstadt, hat aber schöne Winkel und morbiden Charme. Im Vergleich dazu ist die Oberstadt geschleckt. Sie ist aus der ursprünglichen Kirchenburg gewachsen und wurde wohl deshalb so gut saniert. Der Kirchplatz, auf dem ich mich so lange verweilt habe, war ursprünglich die erste Kirchenburg.

Am linken Rand des Platzes stand der erste kleine Mauerring. Rechts wurde später ein zweiter, größerer Befestigungsring gebaut. Anstelle der Mauern stehen heute die Häuser. Geblieben ist nur die Struktur. Beide Mauern trafen sich hinter mir. Der "Kleine Platz" sieht deshalb von oben gesehen wie eine Mondsichel aus.


Wie in vielen anderen Städten wurden Arkaden gebaut. In den Räumen links waren Handwerksbetriebe und Händler. Unter den Arkaden wurde gehandelt. Sie hatten die Funktion eines Marktplatzes. Von so kleinen Betrieben könnte heute niemand leben. Auch das ist überall so. Um die Gebäude zu erhalten, war der Funktionswandel zum Tourismus erforderlich.

Durch den ersten Ring führt dieser Durchgang. Man sieht hinten die Kirche mit dem schönen Dach.








Zwischendem 2. und 3. Befestigungsring liegt der "Große Platz". Hier schaut man über den Großen Platz auf den 2. Befestigungsring, von dem noch ein Torturm erhalten ist. Auf dem Platz finden viele kulturelle Veranstaltungen statt. Natürlich wimmelt es von Bars Cafes und Restaurants.

Im Dumont stand, dass man die historischen Strukturen erkennen kann, aber ohne den Audioguide wäre mir das nicht gelungen. Selbst mit dem Guide finde ich verschiedene Punkte nicht.

Ein Teil der Hallerbastei von innen. Sie wurde 1553 fertig gestellt und ist der 4. wenn nicht sogar der 5. Befestigungsring. 

Ich gehe durch diese ruhigen Straßen. Da spricht mich eine alte Frau an: "sind sie Deutscher".Sie hat wohl erkannt, dass mein Handy Deutsch spricht. Es ist Maria Rot, eine echte siebenbürger Sächsin in der 6. Generation.  Im Gespräch erfahre ich im Originalton, was man überall lesen kann: Ihre Kinder sind alle nach Deutschland ausgewandert. Die Deutsche Gemeinde ist sehr klein  geworden. Sie ist stolz auf ihre Stadt. Die Informationen über Schulen und Museen sprudeln nur so aus ihr heraus. Ich empfinde, sie freut sich darüber, mit einem Fremden Deutsch sprechen zu können.

Beim Bumel durch die Stadt tauchen immer wieder schöne Flecken auf. Sie hat was Ruhiges, Freundliches, Liebenswertes. Mit Recht wird sie schönste Stadt Rumäniens genannt.

Ich bin versöhnt.

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