Donnerstag, 16. September 2021

Gelassenheit

Ich hatte Glück. Kurz hinter Moldovita verlief ein Wiesenweg neben der alten Bahnlinie. Daneben war noch ausreichend Platz für mein Zelt. 

3 Meter weiter war ein  Bahnübergang und in dessen, den Weg kreuzenden, Verlängerung ein Tor zum Dorf. Ich dachte mir, wenn ich neben dem Weg mein Zelt aufbaue, ist noch genügend Platz für alle, die durchwollen. Gerade war der Zeltboden ausgelegt, da kam von der anderen 2 m tiefer liegenden Seite des Bahndammes ein Pferdegespann mit Heu beladen herauf. In dem Augenblick, als das Pferd mein Fahrrad erblickte, scheute es und das ganze Gespann rollte rückwärts den Darm hinab. Es war eine gefährliche Situation. Der Kutscher sprang ab, weil er Angst hatte, dass der Wagen umfällt. Glücklicherweise blieben alle unversehrt. Der Kutscher kam hoch und wir räumten gemeinsam meine Sachen aus dem Weg. Es gab kein böses Wort,  keine grimmige Miene. Er war vollkommen gelassen. Währenddessen hatte sein Vater das Pferd beruhigt und das Gespann wieder im Startposition gebracht. 

Der zweite Anlauf war problemlos und sie fuhren davon.

Ich begann mein übliches Abendprogramm,
dann kam er
und kurze Zeit später er. Beide trieben sie ihr Vieh nach Hause in den Stall.

Der letzte an diesem Abend war er, Huzule, Förster und Nebenerwerbslandwirt. Er will die Tradition seiner Eltern fortführen. Auf dem elterlichen Gut sollen weiterhin Tiere leben und es soll erhalten bleiben. Er ist zufrieden mit seinem Leben. 

Wir sprachen über Armut. Ich meinte, dass laut Internet 30 % der Rumänen unter der Armutsgrenze leben,  ich aber hier zwar keinen Reichtum aber auch keine richtige Armut erkennen könnte. Alle haben gute Kleidung, ein Dach über dem Kopf, ein Auto vor dem Haus und genügend Essen. 

Nach seiner Auffassung liegt das daran,  dass die kommunistische Regierung in dieser Region keine Enteignung durchgeführt hat. Damit ist die Existenzgrundlage für die Bewohner erhalten geblieben. Sie können sich in der Waldarbeit und im öffentlichen Bereich ein Zubrot verdienen, das ihnen den bescheidenen Wohlstand ermöglicht. Anders ist das in der Walachei. Dort wurden die Menschen enteignet. Es wurden große Kolchosen gegründet, auf denen sie gegen Lohn arbeiten mussten. Die Arbeitsplätze sind sukzessive weggefallen und die Menschen verarmten. Soweit seine Erklärung.

Ich genoss gerade den Frühstückskaffee,  als die beiden vom Abend ihr Vieh wieder auf die Weide trieben. Der erste kam anschließend nochmal mit Pferd und Wagen. Auf dem Wagen lag eine Stihl Kettensäge. Ein armer Mensch leistet sich keine Stihl. Er freute sich, als ich das Tor hinter ihm zu machte. So erlebte ich einen Teil des Tagesablaufes dieser Menschen, ruhig, gelassen, zufrieden.

Mein Zelt, der Weg, der Bahndamm.
Die Sonne hat den Morgennebel noch nicht vertrieben.
 



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