Dienstag, 29. Mai 2018

Reise in die Vergangenheit

Das wäre ein Tag für Rosa Rose gewesen, denn in jedem 2. Kaff gab es eine Rosenausstellung, einen Rosenmarkt, einen Rosengarten oder eine Rosenvernissage. Aber dann hätten wir 3 Tage gebraucht.
Rosa meinte: "du musst unbedingt nach Niederweisel. Jedem, dem du begegnest, erzählst du begeistert von deinem Zivildienst."


Also war Niederweisel heute mein Ziel.




So sah es auch 1972 hier aus. Die unbekannt Zukunft lastete damals so schwer auf mir, dass ich erst mal meinen Koffer abstellen musste. Im Fenster rechts neben der Tür war das Büro. Dort empfing mich eine Frau wenig älter als ich, deren Schönheit mich fast ohnemächtig machte. Selbstbewusst spielte sie auch in der weiteren Zeit damit mit mir.
Wichtiger aber sind die Erlebnisse im OP (ganz links) und auf Station, die mir einen anderen Blick ins Leben ermöglichten. Der Zuckerpatient, der unter unseren Händen starb, die Krebskranken in ihren letzten Tagen, Buskopan, das Wundermittel gegen Nierenkoliken, wenn die Patienten vor Schmerzen tobten, und natürlich die Totgeburt, die mir ohne Vorwarnung in einem Bündel Zellstoff in die Hand gedrückt wurde und die ich auf die viel zu große Holzbahre im Leichenhaus legte.


 Auf der Rückseite sieht man die Jahresringe - sieht sehr viel anders als vor Jahren aus. Die Anlage ist auch kein Schulungshaus für Sanitäter mehr, wie in den 90er Jahren. Sie ist ein Hotel, öffentlich, aber vor allem für intere Schulungen der Johanniter.
Ist das Leichenhaus verschwunden? Der kleine, niedere Giebel rechts und die schön gemauerte Giebelwand sind die Reste der alten Bausubstanz: das ist es, das alte Leichenhaus, heute die Rezeption. Die noblen christlichen Ritter empfangen ihre Gäste im Leichenhaus. Passt!



Die schöne alte Mauer hinter dem Baum läst erahnen, was hier früher war. Sie umschloss komplett einen verwunschenen Garten mit Obstbäumen und einem schlecht gepflegten und deshalb buntem Rasen. DER Ort für Romeo und Julia. Auch ich träumte hier. Jetzt ist er weitgehend zugebaut und nur noch gepflegt.






Eigentlich wollte ich auf der Terrasse ein Hefeweizen trinken. Aber der junge Ober übersah mich geflissentlich. Hielt er mich für einen Penner. Wenn ja, dann wäre in einem so christlichen Haus Nächstenliebe angesagt gewesen und sie hätten mir vielleicht kein Bier aber ein Butterbrot spendieren müssen. Der Samariter wohnt hier nicht.

Im Hof des Itaieners
Also verlies ich den Ort und ging in das einzig verbliebene Lokal in Niederweisel: einem Italiener. Chefe machte mir das Hoftor auf und beim Anblick meines Rades fragte er: "Wollen sie nach China?" "Etwa die Hälfte" war meine Antwort und damit nicht ganz falsch. Paul und Hansen fuhren 14 Tausend km nach Schanghai, ich habe 7 Tausend vor zu fahren.
Die Pizza war gut, füllte aber so einen Radlermagen nur halb. Äbbelwoi, 1972 mehr oder weniger das einzige Getränk am Ort und von mir reichlich genossen, war unbekannt. Chefe war der erste, dem ich meine Blogadresse auf einen Bierdeckel geschrieben habe. Er wünschte mir eine gute Reise. Wie wohltuend menschlich sind die Ausländer in unsrem Land.

Schon bei der Anreise war ich über den Weg verwundert. Am Ortsausgang sah ich das Schild: Bad Nauheim über B3. Für Fußgänger und Radler VERBOTEN. Den Weg, den ich vor Jahren öfter mit dem Rad zurück legte, darf ich heute nicht mehr fahren. Auch der direkte Weg nach Butzbach, über den ich meine Koffer schleppte, darf ich heute nicht mehr gehen.

All das macht mich traurig.

Ich verlies Niederweisel Richtung Ausläufer des Taunus. Hier bin ich oft in meiner Freizeit zu Fuß unterwegs gewesen. Auf einer idyllischen Wiese schlug ich mein Zelt auf und verbrachte eine relativ ruhige Nacht.

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